H.E. Erwin Walther

Die Einarbeitung in H.E. Erwin Walthers Werk mit Klavier gerät zu einem spannenden Erlebnis.
Dieser ruhelose Mann hat eine große Anzahl lebendiger Kompositionen geschaffen, bei deren Charakterisierung man sofort in Schwierigkeiten mit den Begriffen gerät. Gibt es ein System der Töneordnung, das den Werken zugrunde liegt, im Sinne von Zwölftonprinzipien oder gar serieller Gestaltung? Soll man von „atonaler“ Musik sprechen, sind „tonale“ Elemente feststellbar?
Vielleicht könnte man Walthers Musik als „freitonal“ bezeichnen; aber auch dieser Begriff ist ungenau.
Fest steht, dass der Komponist kein festes Prinzip der Töneordnung – ein „System“ also – bevorzugte.

Die Motive, Themen, Zusammenklänge, Akkordgrundlagen, Akkordfortschreitungen und Rhythmen entwickeln sich spontan am Einzelwerk. Intuition ist wohl das Urprinzip seiner Arbeitsweise gewesen. Bei dieser „freitonalen“ Kompositionsweise bilden sich freilich „Grundtöne“ oder „Zentraltöne“, die kürzer oder länger die „Basistöne“ des Klanges sind. Jedoch, man findet kein Tonartgefüge mehr, allerdings ist diese Musik auch nicht „atonal“.
Erwin Walther arbeitete mit Motiven und Themen. Aus der Entwicklung des motivisch-thematischen Materials entsteht die Form. Dabei gibt es so manche Überraschung, denn der Komponist dachte, komponierte und empfand zwar auf konventioneller Basis, verblüffte seine Hörer aber mit so manchen unkonventionellen Einfällen.
Generell kann man der Klangsprache Walthers die Freude an der Ausdruckskraft der Dissonanz ablesen. In den tiefen Bereichen des Instrumentariums lässt er diese dann zu zarten Farben verschmelzen – ohne Härten.
Viele der Klavierwerke umspannen eine weite Linie von Akkorden und impulsiven Aktionen – das hat eine große Poesie!

Text nach: Helmut Biehler: Das Klavierwerk H.E. Erwin Walthers, in: Bieler, Emmerig, Kraus, Simon: Komponisten in Bayern, Band 36, Tutzing 1998

Hörbeispiele

Aus: Die Schlange, die alle Rätsel löst aus: Der kleine Prinz (Saint-Exupéry)
(1957, überarbeitet 1990/91)
Interpret: Irene Hegen, Klavier

Aus: Studie für Violine und Klavier  (1958)
Interpreten: Paul Harris, Klavier; Michael Meißner, Violine

Aus: Concerto für vier Solobläser und Streichorchester (1960)
Interpreten: Tobias Kaiser, Flöte; Claire Sirjacobs, Oboe;
Enrico Toffano, Fagott; Matthew Sadler, Trompete;
der/gelbe/klang; Armando Merino, Dirigent

Nr. 2 aus: Neun Stücke für Klarinette und Klavier (1963)
Interpreten: Frank Gutschmidt, Klavier; Ib Hausmann, Klarinette

Nr. 3 aus: Neun Stücke für Klarinette und Klavier (1963)
Interpreten: Frank Gutschmidt, Klavier; Ib Hausmann, Klarinette

Nr. 5 aus: Neun Stücke für Klarinette und Klavier (1963)
Interpreten: Frank Gutschmidt, Klavier; Ib Hausmann, Klarinette

Aus: 9. Singende Mädchen im Apfelbaum
aus: Die Stadt am Berg für Streichquartett (1972)
Interpreten: Tibor Jonas, 1. Violine; Gabriele Loibl, 2. Violine;
Johanna Emmerig, Viola; Beata Szecsi, Violoncello

Aus: Trio für Violine, Violoncello und Klavier (1972)
Interpreten: Trio Palmano (Tassilo Kaiser, Violine; Matias de
Oliveira Pinto, Violoncello; Marbod Kaiser, Klavier)

Aus: Miniatur für Flöte und Klavier (1987)
Interpreten: Erika Emmerig, Flöte; Eberhard Kraus, Klavier

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